Article

Energy & Infrastructure Insights: Auf dem Weg zu Net Zero: Offshore-Windparks im Aufwind

February 27, 2023
Ein Gespräch mit Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore, über das Potenzial von Windenergie auf See und notwendige Reformen

Bis 2050 wollen Deutschland und Europa klimaneutral sein. Dafür soll Windenergie zur wichtigsten Energiequelle der Zukunft werden. Allerdings hinkt Deutschland beim Ausbau den selbstgesetzten Zielen hinterher. Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, den Windkraftausbau "generalstabsmäßig" vorantreiben zu wollen.

Vor welchen Herausforderungen steht die Branche und was muss Deutschland machen, um attraktiver für Investoren zu werden? Darüber hat unser Energie- und Infrastruktur Partner Dr. Tobias Larisch mit Stefan Thimm vom Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore e.V. gesprochen.

Thimm prognostiziert, dass die Offshore-Windenergie für die Versorgungssicherheit und den Strommarkt in Deutschland weiter an Bedeutung gewinnt – gerade mit Blick auf die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Allerdings müsse die Bundesregierung nun ein investitionsfreundliches Umfeld schaffen, unter anderem durch klug ausgestaltete Differenzverträge.

Larisch: Bis 2050 wollen Deutschland und Europa klimaneutral sein. Welche Rolle spielt Offshore-Windenergie auf dem Weg dahin?

Thimm: Eine tragende Rolle. Angesichts der Bedeutung, die die Erzeugungstechnologie Offshore-Wind im Stromsystem der Bundesrepublik im Jahre 2030 und besonders im Jahre 2045 haben wird, aber auch mit Blick auf die Rolle, die die Offshore-Windenergie für die Erzeugung von grünem Wasserstoff spielt. Nach den einschlägigen Langfristszenarien, zum Beispiel vom Fraunhofer ISI für das Bundeswirtschaftsministerium aus dem Jahr 2022, soll die Erzeugungstechnologie Wind-auf-See ca. 250 TWh des Strombedarfes von 1237 TWh (im Szenario T 45 Strom) erzeugen – also mehr als ein Viertel des deutschen Strombedarfs. Die Offshore-Windenergie ist damit ein zentraler Baustein der Versorgungssicherheit – schon heute und ganz besonders in den kommenden Jahrzehnten.

"Nach den einschlägigen Langfristszenarien, zum Beispiel vom Fraunhofer ISI für das Bundeswirtschaftsministerium aus dem Jahr 2022, soll die Erzeugungstechnologie Wind-auf-See ca. 250 TWh des Strombedarfes von 1237 TWh (im Szenario T 45 Strom) erzeugen – also mehr als ein Viertel des deutschen Strombedarfs. Die Offshore-Windenergie ist damit ein zentraler Baustein der Versorgungssicherheit – schon heute und ganz besonders in den kommenden Jahrzehnten."

Larisch: Im Bundeswirtschaftsministerium wird auch diskutiert, wie der Staat mithilfe von Differenzverträgen (Contracts for Difference) einen Industriestrompreis organisieren könnte, um als „Market Maker“ Ausfallrisiken zu übernehmen und Angebot und Nachfrage zu koordinieren. Wie bewerten Sie diese Diskussion?

Thimm: Wir sind zunächst einmal dankbar, dass die Politik die Bedeutung der Windenergie auf See und ihre Potenziale für die Senkung der Strompreise richtig erkannt hat. Die angesprochenen Differenzverträge, sogenannte CfDs, können hier eine Rolle spielen. Es kommt aber auf die genaue Ausgestaltung an, da den Betreibern gerade im Offshore-Bereich auch andere Vermarktungswege, wie die PPA-Vermarktung, offenstehen. Diese Alternativen sollten nicht beschädigt werden. Wir brauchen also zwei funktionierende Segmente – eins für CFD und eins für PPA.

Larisch: Wie funktionieren diese Differenzverträge?

Thimm: Bei Differenzverträgen legt der Bieter mit seinem Gebot einen Preis fest, zu dem er den Strom aus dem Offshore-Windpark bei einem Zuschlag verkaufen würde. Er bietet dabei nicht wie in Deutschland bisher üblich auf einen Mindestpreis, sondern auf einen nach oben und unten festgelegten Preis. Liegt der Marktpreis des Stroms unterhalb des bezuschlagten Preises, bekommt der Anlagenbetreiber analog zur aktuellen Marktprämie die Differenz ausbezahlt. Liegt der Marktpreis jedoch über dem bezuschlagten Preis, müssen die Gewinne zurückgeführt werden. 

Aufgrund der Komplexität der Thematik würde ich an dieser Stelle gerne zusätzlich auf unser Internetangebot mit ausführlichen Informationen zu CfDs veweisen: https://bwo-offshorewind.de/cfd/

Larisch: Wie beurteilen Sie die Differenzverträge im Vergleich zur gleitenden Marktprämie?

Thimm: Differenzverträge bieten enorme Vorteile, da sie die Kosteneffizienz des weiteren Ausbaus Erneuerbarer Energien verbessern. Weiterhin vermeiden Differenzverträge in Verbindung mit wettbewerblichen Ausschreibungen eine Überförderung und sichern das Erreichen der CO2-Minderungsziele.

Differenzverträge reduzieren die Finanzierungskosten der Energiewende drastisch. Die Finanzierungskosten machen derzeit einen großen Teil der Gesamtkosten an Offshore-Projekten aus. Mehrere Institute haben errechnet, dass es durch Differenzverträge zu einer Reduzierung der Stromgestehungskosten von etwa 30 Prozent käme. Differenzverträge stärken damit den Industriestandort Deutschland im internationalen Wettbewerb und tragen nicht unerheblich zum Erhalt von Arbeitsplätzen bei.

Stefan Thimm

Larisch: Wie ist die Bilanz von Ländern, die Differenzverträge schon länger eingeführt haben, und was könnte Deutschland daraus lernen?

Thimm: Es gibt in unseren europäischen Nachbarländern viele positive Erfahrungen mit Differenzverträgen. Auch die Europäische Kommission favorisiert CfDs neben PPAs als Instrument des Erneuerbaren Ausbaus. 

In Großbritannien sind die Kosten insbesondere für Offshore-Windkraft vor allem dank der CfDs in den letzten Jahren stark gesunken. Die Erfolge, die Großbritannien in den letzten Jahren mit CfDs verbuchen konnte, blieben auch anderen Nachbarn nicht verborgen: Auch Frankreich hat die CfDs erfolgreich implementiert – ebenso Dänemark, Polen, Irland oder Litauen.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass CFDs nur dann funktionieren, wenn sie richtig ausgestaltet sind. Die aktuelle weltpolitische Lage, die Lieferkettenprobleme und steigende Rohstoff- und Anlagenpreise zeigen deutlich, dass CFDs nur dann für sicheren Ausbau sorgen, wenn sie indexiert werden – also an die Entwicklung der Kosten gekoppelt werden. Dafür gibt es aber Lösungen – es ist alles eine Frage der Ausgestaltung.

Endnotes

    This publication is produced by Latham & Watkins as a news reporting service to clients and other friends. The information contained in this publication should not be construed as legal advice. Should further analysis or explanation of the subject matter be required, please contact the lawyer with whom you normally consult. The invitation to contact is not a solicitation for legal work under the laws of any jurisdiction in which Latham lawyers are not authorized to practice. See our Attorney Advertising and Terms of Use.