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Energy & Infrastructure Insights — Großbatterie-Systeme: Schlüssel zur bezahlbaren Energiewende in Deutschland

November 27, 2024
Warum der aktuelle Markthochlauf bei Großbatterien erst der Anfang ist und welche Chancen Projekte für Infrastruktur-Investoren bieten: ein Gespräch mit Walter Raizner (GESI Giga Batteries) und Steffen Schülzchen (Entrix GmbH).

Im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien sind erhebliche Speicherkapazitäten erforderlich, damit auch in dunklen und windstillen Phasen genug Strom zur Verfügung steht. Eine besonders interessante und effiziente Technologie zur Lösung dieses Problems sind Großbatterie-Systeme.

Im Rahmen der Veranstaltung „Latham Infra Circle: Die Zukunft von Batteriespeichern in Deutschland“ hat Latham Energie- und Infrastruktur Partner Dr. Alexander Stefan Rieger mit Walter Raizner und Steffen Schülzchen über die aktuelle Marktentwicklung und Chancen für Investoren gesprochen.

Walter Raizner war Vorstand der Deutschen Telekom und fungiert heute als CEO und Chairman von GESI Giga Batteries.GESI Giga Batteries projektiert, baut und finanziert effiziente, digitalisierte Großbatterie-Speichersysteme. Das operative Geschäft leiten Walter Raizner (Ex-COO der IBM Technology Group, Ex-Telekom-Vorstand) und Jens Michael Wegmann (Ex-Vorstand bei kloeckner & Co. SE, Ex-CEO von Siemens Industrial Solutions und ThyssenKrupp Industry Solutions). https://gesi-deutschland.de/. Steffen Schülzchen ist Gründer und CEO des Flexibilitätsvermarkters Entrix GmbHEntrix ist der führende Anbieter und Pionier für Multimarktoptimierung von Batteriespeichern in Deutschland. Das Münchner Energy-Tech-Unternehmen erzielt mit seiner auf künstlicher Intelligenz basierten Handelsplattform für seine Kunden seit 2022 marktführende Performance durch die dynamische Vermarktung auf den verschiedenen Energiemärkten. Auf diese Weise treibt das Energy-Tech-Unternehmen die Energiewende aktiv voran. Gründer und CEO ist Steffen Schülzchen https://www.entrixenergy.com/. mit Sitz in München.

Was genau sind Batteriespeicher und warum ist das Thema in Deutschland gerade aktuell?

Raizner: Die Bandbreite auf dem Batteriespeichermarkt reicht von kleinen Speichern zuhause bis hin zu großen Pumpspeicherkraftwerken irgendwo in den Alpen. Dazwischen bewegen wir uns mit unseren Großbatteriespeichern. Unser Fokus liegt auf Größenordnungen zwischen mehreren hundert und 1.000 Megawatt. Zum Vergleich: 1.000 MW Leistung entsprechen ungefähr einem Atomkraftwerk. Der Bedarf an solchen Speichern wächst mit dem Abschalten konventioneller Kraftwerke und dem Ausbau erneuerbarer Energien rasant: Experten zufolge muss die Kapazität von Großbatteriesystemen bis 2030 von rund 1,4 auf 100 Gigawatt steigen. Der Markthochlauf beginnt also gerade erst.

Schülzchen: Das kann ich nur bestätigen. Großbatterien spielen eine absolut entscheidende Rolle und sind unabdingbar, um die Energiewende zügig und einigermaßen bezahlbar hinzubekommen.

Steffen Schülzchen, Gründer und CEO von Entrix GmbH.

Können Sie kurz erklären, wie das Geschäftsmodell funktioniert?

Schülzchen: Großbatterien laden auf, wenn zu viel Strom produziert wird. In diesen Zeiten sind die Strompreise meist sehr niedrig. Dann entlädt man die Batterien, wenn zu wenig Strom verfügbar ist und die Preise höher sind. Darüber hinaus können Eigentümer Geld von Netzbetreibern erhalten, indem sie ihnen Kapazitäten und damit Flexibilität anbieten. Vereinfacht gesprochen geht es darum, die Frequenz auszubalancieren und damit die Netzstabilität zu erhöhen. Großbatterien sind dafür prädestiniert, weil sie innerhalb von Millisekunden auf Frequenzabweichungen reagieren können.

"Großbatterien sind ein natürlicher Hedge für Wind- und Solarpark-Investoren“

Walter Raizner, CEO und Chairman von GESI Giga Batteries

Warum sind Batteriespeicher für Infrastruktur-Investoren attraktiv und was macht einen erfolgreichen Batteriespeicherentwickler und -betreiber aus?

Raizner: Auf Basis der Mechanismen, die Steffen Schülzchen gerade erläutert hat, können wir über einen langen Zeitraum attraktive Renditen erwirtschaften – zumal die Volatilität beziehungsweise Zyklikalität der Stromerzeugung zunimmt, was mit steigenden Ertragschancen einhergeht. Ein weiterer wichtiger Punkt: Großbatterien sind ein natürlicher (Hedge) für Investoren, die Wind- oder Solarparks im Portfolio haben. Denn Speicher sorgen dafür, dass Erzeugungsanlagen seltener gedrosselt werden müssen. Und „last but not least“: Es handelt sich um nachhaltige Investitionen, die den CO2-Fußabdruck verbessern können, denn Großbatterien senken den Bedarf an fossilen Gaskraftwerken und damit die CO2-Emissionen.

Schülzchen: Den Punkt mit dem natürlichen Hedge möchte ich noch einmal unterstreichen: Schlechte Tage für Erzeuger erneuerbarer Energien sind oft sehr gute Tage für Betreiber von Speichern. Wer über eine kluge Portfolio-Zusammenstellung für die nächsten zehn Jahre nachdenkt, sollte sich deshalb mit Großbatterien beschäftigen.

Sind sogenannte Merchant-Modelle, bei denen Großbatterie-Betreiber den Strom kurzfristig am Markt verkaufen, wirtschaftlich darstellbar? Oder brauchen diese Modelle eine Absicherung mit Tolling Agreements, also langfristigen Abnahmeverträgen?

Schülzchen: Wir haben in Deutschland bis dato vor allem Projekte in der Größenordnung von zehn bis 100 Megawatt gesehen. Bei den allermeisten handelt es sich um Merchant-Modelle ohne langfristige Absicherung. In diesem Bereich sehen wir häufig Fremdkapitalfinanzierungen zu attraktiven Konditionen. Da sprechen wir nicht über 30%, sondern über 50% oder 70% Fremdkapital – teilweise sogar noch mehr. Bei größeren Projekten wie denen von GESI Giga Batteries ist es aber naheliegend, dass Betreiber nicht komplett dem Markt unterliegen wollen und Tolling Agreements abschließen; das sind quasi langfristige Abnahmeverträge für Speicher ähnlich wie Power Purchase Agreements (PPAs) für erneuerbare Energien.

"Die Regulierung in Deutschland erlaubt es, Speicher zu bauen und mit ihnen Geld zu verdienen.“

Steffen Schülzchen, Gründer und CEO von Entrix GmbH

Raizner: Wir favorisieren ebenfalls Fully-Merchant-Modelle, weil sie die besten Renditechancen bieten. Einer der Vorteile großer Batteriesysteme ist aber die Flexibilität: Wir können die Gesamtkapazität aufteilen und mit ein- und derselben Batterie auf unterschiedliche Modelle setzen.

Walter Raizner, CEO und Chairman von GESI Giga Batteries.

Wir Rechtsanwälte beschäftigen uns gerne mit Risiken. Was sind bei Batteriespeicherprojekten die Hauptrisiken – und wie kann man sie reduzieren?

Raizner: Für ein erfolgreiches Projekt sind drei Faktoren unabdingbar: ein Standort relativ nah an einem Umspannwerk, ein Netzanschluss sowie die Komponenten von der Batterie bis zum Trafo. Auf der Batterieseite erleben wir seit einiger Zeit eine deutliche Entspannung bei Preisen und der Lieferdauer. Bei den Trafos ist die Beschaffung nicht ganz so einfach, aber wir profitieren von einem starken Team und einem sehr belastbaren Netzwerk. Etwas schwieriger zu managen ist das Thema Netzanschluss, weil wir hier abhängig sind von der Regulierung beziehungsweise den Übertragungsnetzbetreibern.

Stichwort Regulierung: Wie bewerten Sie den aktuellen Rechtsrahmen? Wo muss nachgebessert werden?

Schülzchen: Überraschende Antwort: Es ist gar nicht so schlimm. Die Regulierung in Deutschland erlaubt es, Speicher zu bauen und mit ihnen Geld zu verdienen. Aber natürlich sind wir nicht da, wo wir sein sollten. Walter Raizner hat das Kernproblem eben erwähnt: Die Art und Weise, wie Netzanschlüsse vergeben werden. Aktuell gehen Netzbetreiber von Maximalwerten für Strombezug und Einspeisung aus und kommen deshalb häufig zu dem Schluss, dass Speicherprojekte das Netz überfordern. Zu den Annahmen gehört dann beispielsweise, dass Batterien und Solaranlagen gleichzeitig voll einspeisen. Das ist äußerst fragwürdig, weil die Wahrscheinlichkeit gegen Null geht. Und wenn es so wäre, könnten wir die Einspeisung immer noch abregeln.

Raizner: Eine Bemerkung dazu: Ich war früher Vorstand bei der Telekom und verantwortlich für das Telekommunikationsnetz. Daher kenne ich die Regulatorik aus einer anderen Perspektive: Damals hatten wir das Netz, und die anderen wollten hinein. Jetzt sitze ich dummerweise auf der anderen Seite. Früher war es aber so: Wer ins Netz wollte, musste innerhalb eines klar begrenzten Zeitraums Zugang bekommen. Heute sagt die Bundesnetzagentur: Wir können leider nichts machen, die Netzbetreiber sollen die Anträge der Reihe nach abarbeiten – ob das sechs oder neun Monate dauert, ist uns eigentlich egal. So darf es meiner Meinung nach nicht sein. Bei Monopol-Netzen muss ein Regulierer für faire Zugangschancen sorgen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Endnotes

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