Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zu Beweisverboten wegen Datenschutz
Frankfurt, 3. Juli 2023 – Der 2. Senat des BAG hat am 29. Juni 2023 entschieden, dass offene Videoaufnahmen zum Nachweis vorsätzlicher Pflichtverstöße von Mitarbeitenden grundsätzlich verwertbar sind (Aktenzeichen 2 AZR 296/22). Das BAG hat deshalb vier Urteile gegen die Latham-Mandantin aufgehoben.
Das BAG hob damit vier Entscheidungen des LAG Hannover auf und präzisierte seine Rechtsprechung zu Beweisverwertungsverboten aufgrund möglicher Datenschutzverstöße. In der vorherigen Instanz hatte das LAG Hannover die Videoüberwachung am Werktor als datenschutzrechtlich unzulässig bewertet. Zudem ging das Gericht von einer zu langen Speicherung der Aufnahmen aus. Daher lehnte es die Sichtung der Aufnahmen zum Nachweis der im Streit stehenden Pflichtverletzungen der Kläger ab.
Das BAG hingegen stellte anders als die Vorinstanzen keinen Verstoß fest. Hierauf komme es aber letztlich auch nicht an. Es spiele bei offenen Datenerhebungen und vorsätzlich vertragswidrigem Verhalten von Arbeitnehmern keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach. In einem solchen Fall sei es grundsätzlich irrelevant, wie lange der Arbeitgeber mit der erstmaligen Einsichtnahme in das Bildmaterial zugewartet und es bis dahin vorgehalten habe. Die offene Überwachungsmaßnahme stelle keine schwerwiegende Grundrechtsverletzung dar.
„Die Entscheidung des BAG zeigt, dass Unternehmen bei Videoüberwachungen und anderen Kontrollmaßnahmen die Vorgaben des Datenschutzes im Vorfeld berücksichtigen sollten und die nötige Transparenz schaffen. Dann stehen Fragen der Dauer einer Speicherung oder andere komplexe Auslegungsfragen einer Verwertung der Ergebnisse der Kontrolle vor Gericht nicht entgegen“, so Tim Wybitul, Partner bei Latham & Watkins und Datenschutzexperte.
Latham & Watkins hat mit folgendem Team die Volkswagen AG datenschutzrechtlich beraten:
Tim Wybitul (Partner), Dr. Wolf-Tassilo Böhm (Counsel), Dr. Isabelle Brams (Associate, alle Data Privacy, Frankfurt).
Die Vertretung in den ersten beiden Instanzen sowie die Verfahrensführung und der arbeits- und prozessrechtliche Teil der Revision lagen bei Dr. Gunnar Straube von Göhmann Rechtsanwälte. Inhouse bei Volkswagen AG führte Frau Inga von Rönn das Verfahren.